Zu viel, zu wenig, oder einfach nur der falsche Fokus?
– Wie wir die richtige Balance finden, ohne der „Additive Bias“ Falle zu erliegen*
In einer Welt, in der ständig neue Ernährungstrends auf uns einprasseln, scheint es manchmal, als müssten wir immer mehr hinzufügen, um „besser“ zu werden. Doch ist mehr wirklich auch besser? Was, wenn wir uns gerade in einem Hype von Zuviel und Hinzufügen befinden – sei es Zucker, Fett, oder die ewige Jagd nach dem „perfekten“ Nährstoff?
Vielleicht ist es an der Zeit, genau hinzusehen: Was können wir weglassen, und was ist wirklich zu viel? Wir neigen dazu zu glauben, dass wir durch mehr immer das Beste erreichen können – aber oft ist es genau das Gegenteil, was wir brauchen. Und vielleicht führt der Weg zum Gesunden einfach nicht zu Listen, die wir erstellen oder herunterladen, sondern in den Garten (oder auf den Gemüsemarkt)?
Die „Additive Bias“ Blase: Warum wir ständig mehr wollen
Es gibt einen modernen Begriff, den Psychologen „Additive Bias“ nennen. Erstmal davon gehört, beziehungsweise gelesen, habe ich im Newsletter von Alexandra Polunin. Es beschreibt die Tendenz, ein Problem zu lösen, indem man etwas hinzufügt, statt etwas wegzulassen. Wenn wir gesünder leben wollen, greifen wir beispielsweise zu teuren Nahrungsergänzungsmitteln, kaufen neue Fitnessgeräte oder stellen uns die Frage, welches Superfood wir noch ausprobieren sollten. Dabei vergessen wir oft, dass gesünder leben auch viel damit zu tun hat, was wir weglassen. Und hier liegt die Falle.
Auch die Tatsache, dass wir von überall, zu fast jeder Zeit, fast alles bekommen können, verlangt von uns eher die Fähigkeit, Nützliches von weniger Nützlichem zu unterscheiden. Genau über diese Fähigkeit wird schon im Ayurveda beschrieben. Dies dient uns als ein praktisches Werkzeug der Achtsamkeit und Reflexion, das uns hilft, kluge Entscheidungen im Alltag zu treffen.
VitaminstoffMANGEL?
Ein Beispiel, das oft für Verwirrung sorgt, sind Vitaminstoffmängel. Als pflanzlich orientierte Menschen oder Vegetarier neigen wir dazu, bestimmte Vitamine (wie B12) als ein potenzielles Problem anzusehen, da es hauptsächlich in tierischen Produkten vorkommt. Es gibt viele Diskussionen über die Notwendigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Frage, die wir uns stellen dürfen, ist: Muss es wirklich immer nur etwas sein, das wir „hinzufügen“, oder gibt es auch andere, tiefere Ursachen für die Nährstoffmängel?
Das Problem liegt vielleicht oft nicht nur im Mangel, sondern genauso auch in den zu viel konsumierten anderen Substanzen, die den Körper potentiell dabei stören, die Vitamine und Nährstoffe richtig zu verarbeiten oder aufzunehmen. Stress, eine überlastete Leber, eine gestörte Darmbarriere und ein überreiztes Mikrobiom können uns daher unter Umständen zusätzlich ausbremsen, als nur ein „Mangel“ an beispielsweise B12 allein.
Klar erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass ich keineswegs den Effekt gezielter Supplementierung in Frage stellen will. Im Gegenteil, in meiner Praxis erlebe regelmässig die positiven Effekte eines gezielten Einsatzes von Ergänzungsmitteln. Dennoch ist es mir wichtig, den Fokus AUCH auf den ganzen Rest zu legen:
„ZuVIEL“ – Alkohol, Zucker, Fett, tierisches Eiweiss und Fertignahrung
Die Überflutung des Körpers mit Zutaten wie zu viel Zucker, tierische Fette, Alkohol und Zusatzstoffe führt oft zu Entzündungen, einem gestörten Mikrobiom und einer schlechten Darmbarriere.
Zu viel Alkohol: Etwa jede fünfte Person in der Schweiz hat einen risikoreichen Alkoholkonsum, das entspricht rund 21,6 % der Bevölkerung. Alkoholkonsum kann das Nervensystem beeinträchtigen, die Leber und das Risiko für Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Störungen erhöhen.
Zu viel Zucker blockiert den natürlichen Stoffwechsel, führt zu Blutzuckerschwankungen und trägt zu Entzündungen bei.
Zu viel Fett – besonders aus verarbeiteten Quellen – kann den Körper belasten und die Leber überlasten. Und das Übermaß an tierischem Eiweiss kann auf Dauer zu einer Überlastung der Nieren und zu einem erhöhten Säuregehalt im Körper führen.
All dies sind Faktoren, die es uns schwer machen können, Nährstoffe richtig zu nutzen.
Was können wir weglassen, um die Balance zu finden?
Die Lösung liegt also nicht allein im Hinzufügen von Nahrungsergänzungsmitteln oder dem Verzehr von Superfoods. Oft liegt sie in der Kunst des Weglassens. Was können wir weglassen, um uns wieder ins Gleichgewicht zu bringen? Hier sind einige Gedanken:
Weniger Zucker – Unsere Gesellschaft konsumiert zu viel Zucker. Vielleicht ist es an der Zeit, die Menge zu reduzieren.
Weniger verarbeitete Lebensmittel – Fertignahrung, die reich an ungesunden Fetten und Zucker ist, überflutet unseren Alltag. Kochen aus frischen, unverarbeiteten Zutaten ist der Schlüssel zu einer gesunden Ernährung.
Weniger tierisches Eiweiss – Zu viel Fleisch, besonders rotes Fleisch, ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern auch für unseren Körper. Pflanzliche Eiweisse aus Linsen, Bohnen und Quinoa bieten eine nährstoffreiche Alternative.
Weniger Stress – Statt mehr und mehr Techniken hinzuzufügen, könnten wir einfach versuchen, unseren Alltag zu entschleunigen und unnötigen Stress abzubauen. Vielleicht ist es an der Zeit, Grenzen zu setzen und bewusst nein zu sagen, anstatt uns immer mehr aufzubürden.
Weniger Alkohol – Alkohol wird in der Leber abgebaut und stellt eine grosse Belastung für dieses wichtige Organ dar. Die Leber hat die Aufgabe, Giftstoffe zu verarbeiten und wenn sie ständig mit dem Abbau von Alkohol beschäftigt ist, kann sie weniger effizient arbeiten. Zu viel Alkohol hemmt zudem die Nährstoffaufnahme und -verwertung und wirkt sich unter anderem negativ auf das Mikrobiom sowie das Nervensystem aus.
Fazit: Einfachheit als Schlüssel zur Balance?
Bereits indem wir uns von der Vorstellung verabschieden, immer mehr hinzufügen zu müssen, und stattdessen auf das verzichten, was unseren Körper belastet, können wir den Fokus aufs Wesentliche schärfen. Dazu gehört auch die bewusste Entscheidung.
Das gilt nicht nur für die Ernährung, sondern für jeden Bereich unseres Lebens.
Dies muss auch nicht von einem Gefühl des Verzichts geprägt sein. Sehr oft höre ich von Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Detox Programme genau das Gegenteil. Wie wohltuend und entschleunigend diese Praxis auf sie wirkt.
Wenn du mehr über eine ausgewogene, pflanzlich orientierte Ernährung erfahren möchtest, die dein Mikrobiom stärkt, Stress reduziert und dir hilft, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren, bleib dran. Es gibt viele spannende Themen und Rezepte, die dir dabei helfen können. Für mehr Klarheit, Gesundheit und Lebensfreude.
Wer mich kennt, weiss, dass ich es an dieser Stelle nicht beim theoretischen Wissen belasse. Lieber steige ich gleich in die Praxis ein, anhand zweier Rezeptbeispielen. Lass dich davon gerne inspirieren und motivieren.
Die Auswahl der Gemüse ergab sich aus der Zusammenstellung meines Gemüsekorbes, den ich wöchentlich im NATIRLI Unverpacktladen bei Nicole in Glis abhole.
Ach ja, hier auch noch die Argumente, die ich oft höre: Die Zeit und das Geld: Beide Gerichte sind jeweils in 30 Min. gekocht und den Preis habe ich auch berechnet.